Ulrich Nitschke in Breslau (Wroclaw)

In Wroclaw (Breslau) wurden in einer „Dauerausstellung“ überlebensgroße Kopfskulpturen des zuletzt in Schönau lebenden Bildhauers Ulrich Nitschke gezeigt. Ulrich Nitschke wurde 1929 vom Berliner Architekten Hermann Dernburg beauftragt, für das nach seinen Plänen in Breslau errichtete Warenhaus „Wertheim“ 25 Modelle für plastische Köpfe mit Physiognomien „aus aller Herren Länder“ zu schaffen. Jeweils vierfach in Terrakotta ausgeführt, wurden die 100 Köpfe mit abwärts gewandten Gesichtern an den tragenden Pfeilern zwischen den Fenstern angebracht, die quasi in einen Dialog mit den Menschen auf den Straßen und Plätzen ringsum treten. Das „Wertheim“ wurde während der Weltwirtschaftskrise in nur acht Monaten errichtet und avancierte zum größten Kaufhaus auf dem Kontinent mit den ersten Rolltreppen.
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Kaufhaus Wertheim in Breslau

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In Wroclaw heißt das Kaufhaus Renoma

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Ausgewählte Modelle en face und en profile von Nitschkes Kopfskulpturen für das „Wertheim“ oben links die Skulptur von „Hadwig“

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In der Londoner „Arup“-Ausstellung 2009, in der auch eine Kopfskulptur von Ulrich Nitschke zu sehen war, wurde daran erinnert, dass Breslau im ersten Drittel des  20. Jahrhunderts das Zentrum der Architektur-Avantgarde in Deutschland war.
1913, zum 100. Jahrestag der Befreiungskriege, leitete Max Berg mit dem Bau der kreisrunden Jahrhunderthalle aus Roh-und Eisenbeton die Epoche des Funktionalismus ein. Die Kuppel mit einer Spannweite von 65 Metern, die von keinem Pfeiler getragen wird, sondern mit 32 gebogenen Betonrippen quasi aus den Wänden wächst, war damals die weltweit größte. Den Vier-Kuppel-Pavillon entwarf Hans Poelzig, ebenso die halbkreisförmige Pergola um eine große Wasserfläche, aus der effektvolle farbige Licht-und Wasserspiele veranstaltet werden.

In der Nachbarschaft der Jahrhunderthalle wurde zur Werkbund-Ausstellung 1929 eine Mustersiedlung gebaut, die mit modernen Materialien und Bauformen auch neue Konzepte des Zusammenlebens realisierte. Bei Hans Scharoun denkt man zuerst an die Berliner Philharmonie. In Breslau hat er, ebenfalls schon 1929, das Ledigenhaus mit seinen geschwungenen Formen und mit funktional gestalteten Räumen geschaffen, mit großen Fenstern und durchgängigen Balkonen zur Gartenseite, von der Straße her sieht es mit den Fensterschlitzen und der Deckterrasse wie der weiße Rumpf eines Schiffes aus.

Bereits 1927/28 entstand auch das sechsgeschossige „gläserne“ Kaufhaus Petersdorff von Erich Mendelssohn (das jetzt „Kamelot“ heißt), ein mit Glas ausgefülltes Stahlskelett mit horizontal durchlaufenden Fensterbändern in der Westfassade, mit abgerundeten Hausecken und einem Erkerturm.

Das im Zweiten Weltkrieg durch Bomben und Granaten stark beschädigte Warenhaus „Wertheim“ wurde 2007 bis 2009 nach den erhaltenen Plänen Dernburgs originalgetreu restauriert, wobei die Wiederherstellung der Fassaden-Skulpturen zunächst unmöglich schien. Durch eine unvorhersehbare Kette von Zufällen vermittelte der Berliner Bildhauer Dietrich Klakow den Kontakt der Denkmalpflegerin von Wrocław, Prof. Dr. Krystyna Kirschke, mit Yvonne Bannek, der Enkelin von Ulrich Nitschke. So konnten die im Krieg nicht vernichteten Ateliersfotos von den Originalmodellen en face und en profile sowie Auszüge aus den Tagebüchern des Künstlers und diverse Fotos von der noch erhaltenen ungebrannten Skulptur „Hadwig“ mit Maßangaben in einer umfangreichen E-Mail-Korrespondenz nach Wroclaw übermittelt werden. Dementsprechend konnte die Bildhauerin Pola Ziemba die beschädigten Skulpturen restaurieren und 72 Repliken schaffen.

Seither zeigt sich das „Wertheim“, das nun „Renoma“ heißt, in Form und Farbe mit allen Elementen der denkmalgerecht restaurierten Fassade und einer modernen Shopping-Mall mit über 100 Fachgeschäften, Cafés und Restaurants als „Visitenkarte“ Wroclaws. Eine gläserne Passage verbindet das historische Gebäude mit einem großen, von Zbigniew Macków entworfenen Anbau, der in der Fassadengliederung durch horizontale Betonbänder sowie in den Proportionen, Materialien und Farben an das Konzept Dernburgs anknüpft und sich so in das historische Stadtbild einfügt.
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Das „Renoma“ kann für die Denkmalpflege und die Stadtentwicklung in aller Welt beispielhaft sein. Die Restaurationsgeschichte des „Renoma“ ist dokumentiert in der Publikation der Silesian University of Technology  „ARCHITECTURE CIVIL ENGINEERING ENVIRONMENT“  2008, No.3, p.11-20: K. & P. Kirschke „Restoration Strategies…“
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v.l.n.r. Paulina Zieba, Yvonne u. Eckard Bannek, Krystyna Kirschke